Zum ersten Mal in diesem verrückten wie bewegenden Jahr 2020 reise ich wieder. Mit Masken sitzen wir im Zug, dann im Bus, und fahren nach Prag.
Golden glänzend erhebt sich der Burgberg über Altstadt und Moldau als wir im Licht des späten Nachmittags dieses Ziel erreichen. Prag begrüßt uns bereits wie ein Traum.

Die Straßen und Plätze wirken voller als erwartet. Es ist ein herrliches Sommerwochenende und die Menschen strömen hinaus. Vor Straßenmusikanten – die so viel vom Charme dieser Stadt ausmachen – bilden sich teils große Menschentrauben. Wohl ist mir dabei nicht. Wir lassen uns etwas zurückfallen, sitzen vor einer Bar und trinken Aperitifs. Die Band spielt „I’ll Be There For You“ von The Rembrandts.



Drei Tage durchstreifen wir die Gassen und Straßen Prags. Staunen mit weit offenen Mündern vor den reichlichen Jugendstil-Fassaden. Direkt an der Moldau ist am Samstagmorgen ein gut besuchter Wochenmarkt mit zahlreichen Fressständen. Schon jetzt sitzen die Leute direkt am Wasser, trinken Bier und gönnen sich ein zweites Frühstück.




Der Weg führt uns zum Vyšerhad herauf, von dessen Festung wir den Blick über die Stadt genießen. Den Friedhof besuchen wir, wo zahlreiche berühmte Tschechen liegen. Die Familiennamen sagen viel über die bunte, einst von so vielen Kulturen geprägte Geschichte Prags. Die angrenzende Kathedrale ist verblüffend: die Decken, die Säulen und die Buntglasfenster sind ein atemberaubender Mix aus Neo-Gotik und Jugendstil – was ich so noch nie gesehen haben.



Am Sonntag erkunden wir die „Kleinseite“, wo sich die Prager Burg stolz erhebt. Durch enge Gassen geht es den Berg hinauf, vorbei an zig geschlossenen Souvenirläden. Die Security an den Zugängen zu dem riesigen Burggelände langweilt sich sichtlich.
Ein Spaziergang durch die schattigen königlichen Gärten. Dann weiter zum Metronom, das hoch über der Stadt tickt. Leere Bier- und Weinflaschen zeugen vom Vorabend. Einige Jugendliche sitzen auf den dicken Mauern und blicken über ihre Stadt. In einem zuckerbäckerigen Pavilion mit brillanter Aussicht machen wir Pause; ich bestelle Salat und Wein.









Am Nachmittag entdecken wir die Gärten um den Palast Wallensteins, wo der tschechische Senat tagt. Herrlich müde und heiß vom Sommer finden wir einen Platz in einer Bar direkt an der Moldau. Tretboote fahren übers Wasser. Es ist heiter und launig, die Seuche ist so weit weg. Wir trinken Bier. Am Abend wird es noch gewittern.


Fast allein streunen wir am nächsten morgen über Prags uralten jüdischen Friedhof. Unglaublich still ist es zwischen den halb-verwitterten, eng aneinander stehenden Grabsteinen. Schnecken kriechen über das Moos. Im Inneren der angrenzenden Synagoge sind die Namen der Jüdinnen und Juden aus Böhmen verewigt, die von den Nazis ermordet wurden. Es sind so viele, die Wände sind voll.
Wir besichtigen leere Synagogen. Die Souvenirstände im Viertel sind verrammelt. Immer wieder kommen wir an gähnend leeren Lokalen vorbei. Viele werben mit „-20%“ in den Fenstern.


Im Café Imperial essen wir zu Mittag; ein Traum des Art Deco; einem Palast gleich. Im Mucha-Museum staunen wir über die Werke dieses tschechischen Jugendstil-Künstlers. Dann noch raffinierten Kuchen und Kaffee bevor wir den Heimweg antreten.
Es tat so gut, weg zu kommen. War es klug? War es richtig? Ich bin hin- und hergerissen und doch glücklich. Prag war zauberhaft, einem Märchen-gleich. Und doch gezeichnet von diesem merkwürdigen Jahr 2020…
I’ll see you on the other side.
Mehr zu Prag und warum Ihr da unbedingt hin müsst, zeigt euch unter anderem Pixelschmitt in seinen tollen Tipps zu dieser großartigen Stadt:
Städtereise nach Prag: 8 Tipps für ein Wochenende in Tschechiens Hauptstadt
Sehenswürdigkeiten in Prag – abseits der Touristenmassen
Prags Sehenswürdigkeiten: Das Metronom und der Letna Biergarten
Die Leere an den sonst von Touristen so dicht gedrängten Sehenswürdigkeiten wie die Karlsbrücke ist beeindruckend, und lässt das zweifelnde Gefühl über die Klugheit des Reisens nachvollziehen, denn spätestens da fällt es beim Anblick deiner sehr schönen Bildeindrücke auf, wie anders und wie wenig vorbei das Thema ist. Aber die Pinguine am Kampa-Museum halten vorbildlichen Abstand :-)
Das Merkwürdige an der Karlsbrücke: ganz unbedarft fühlte die sich gar nicht so leer an… Menschen prominierten, es gab ein paar Straßenmusiker – schwer vorstellbar, was für ein Gedränge in anderen Zeiten dort herrschen muss.
Die vielen, vielen leeren Lokale und verrammelten Souvenirläden fand ich viel eindrucksvoller und bedrückender.
Und: Danke dir :)