Carlos, unser Guide auf der Free Walking Tour durch San Cristobal de las Casas, ist höflich gesagt ein bemerkenswerter Typ: Revolutionär, Zapatist, Links, Anarchist. Mit 20 habe er versucht sich zu erhängen. Dann entdeckte er traditionelle mexikanische Rauschmittel wie Pilze. Er hat einen 3 Jahre alten Sohn. Lebte einige Zeit in Melbourne und sein Lieblingswort lautet „Fucking“.
Wie ein Wirbelwind bekommen wir das als Zugabe auf unserer Tour durch die Straßen von San Cristobal. Am Vorabend kamen wir nach 9-stündiger Busfahrt von Palenque hier an. Das koloniale Städtchen ist bildhübsch, doch es ist kalt hier auf 2.500 Metern Höhen. Wir tragen mehrere Schichten, wie auch die anderen in unserer Tour-Gruppe. Nur ein junger Kerl läuft in T-Shirt und Shorts herum. Es stellt sich heraus, dass er aus Alaska kommt, was einiges zu erklären scheint.




Carlos führt uns auf den Markt der Einheimischen, wo wir erstaunt feststellen, wie angenehm es doch ist, wenn nicht ständig Händler versuchen einem irgendeinen Souvenir-Kram lautstark aufzudrängen. Wir haben Gelegenheit zu schauen. Die Händler wirken angenehm desinteressiert. Weiter geht es zu einem netten Café, wo wir Kaffee aus dem Hochland Chiapas’ probieren, dazu gibt’s Pain au Chocolat. San Cristobal ist voller hübscher Bars, Cafés, Restaurants, Boutiquen und Galerien. Dazu gibt’s noch einen Schlag „Alternativ“: viele europäische und nordamerikanische Aussteiger haben sich hier niedergelassen; Alt-Hippies spazieren durch die hergerichteten Straßen. Viele Künstler sind hierhergezogen.

So besuchen wir ein Künstlerkollektiv. Von der Dachterrasse aus genießen wir den Blick über die Stadt, machen eine Pause, und Carlos dreht sich einen Joint. Danach frischt der Wirbelsturm an Informationen und revolutionären Ideen deutlich auf. Mit berauschter Leidenschaft erzählt Carlos vom Aufstand der Zapatisten gegen die mexikanische Bundesregierung in den 90ern. San Cristobal erinnert auch heute noch an ein gewisses gallisches Dorf. Mit viel Einfluss der zahlreichen Kulturen des Bundesstaates Chiapas.
Vorbei an tollen Streetart-Kunstwerken folgt uns ein Hund bis zu einem kleinen Laden, aus dessen Fenster uns eine freundlich lächelnde Frau Kakaobohnen probieren lässt. Ich kaufe etwas Schokolade. Zuletzt gibt’s noch eine Verkostung des lokalen, aus Mais-gebrannten Schnaps „Poxn“. Mit kräftig deutsch-gefärbten Englisch schenkt uns die Wirtin Marina einige Gläser ein. Das Zeug ist gut und ich nehme zwei Flaschen mit.






Mit einem ordentlichen Trinkgeld verabschieden wir uns von Carlos. Jetzt bummeln wir alleine durch die Straßen San Cristobals. So langsam erschließt sich uns der Zauber dieser Stadt: die Gassen sind größtenteils autofrei, die kolonialen Häuser hübsch hergerichtet und grüne Hügel umringen das Stadtinnere. Eine Kirche thront auf einem von ihnen. Die Stufen hinauf kommen wir kräftig ins Schnaufen, es ist anstrengend – ist das die Höhenluft? Ich hoffe es.



Mehrere Cafés besuchen wir in den zwei Tagen, die wir für San Cristobal haben. Am Abend treffen wir eine ehemalige Kollegin Daniels, die wie der Zufall so spielt auf ihrem Sabaticcal gerade ebenfalls hier ist. Eine ganze Weile sitzen wir in einer coolen Mezcaleria mit zu lauter Musik…
Als wir am nächsten Tag San Cristobal de las Casas verlassen bin ich fast traurig: Ja, ich wäre gerne länger geblieben.
Ein Kommentar zu „Mexiko: Ausgestiegen in San Cristobal“