Die Ankunft in Bratislava gleicht einem Schock – ich bin definitiv in Osteuropa. Der viel zu kleine Bahnhof ist ein brutaler Bau aus brüchigem Beton, mit bunten Kiosken, billigen Werbetafel und viel zu vielen Menschen.
Die Karten-App will erstmal keine Verbindung herstellen. Also irre ich an Plattenbauten vorbei durch die Stadt. Es ist drückend warm, Schweiß rinnt über den Rücken. Schon hab ich keine Lust mehr, da erreiche ich irgendwie die Gassen der Altstadt. Drei Mal laufe ich dann desorientiert an meinem Hotel vorbei: Das liegt an der Haupttouristenstraße im oberen Geschoss eines Rückgebäudes, direkt über einem Thai-Massage-Salon, in den ich versehentlich hineinstolpere.
Mein Zimmer ist riesengroß und opulent mit dunklen, alten Möbeln eingerichtet. Und es ist laut. Die ganze Nacht lärmt es im Innenhof, in der Früh bereits Gebrüll und ab 6 Uhr saugt irgendjemand. Mit der Nachtruhe will es auf dieser Reise nicht richtig klappen…
Doch jetzt bin ich erst angekommen. Ich mache mich frisch. Lange stehe ich unter der Dusche. In der späten Nachmittagssonne gehe ich dann hinaus auf die Straße und erkunde die putzige Altstadt. Die ist überraschend klein, in wenigen Minute durchschreite ich sie von einem zum anderen Ende. Überall Touristen. Die meisten laufen im Pulk einem Fremdenführer hinterher. Sie kommen von den zahlreichen Flusskreuzfahrern, die auf der Donau liegen, vermute ich. Dem Ansturm scheint das alte Bratislava nicht gewachsen zu sein. Normale Geschäfte, normales Leben suche ich hier vergebens. Dafür begegnen mir reichlich Lokale, Souvenirläden – und Botschaften:
In einer Straße hängen einträchtig die Fahnen von Großbritannien und Ägypten nebeneinander. Am nächsten Platz treffen sich Japan, Frankreich und Griechenland. Und die USA verschanzen sich an einem hübschen Boulevard hinter hohen Zäunen. Schräg gegenüber sind die Deutschen. Bratislava ist eine der kleinsten Hauptstädte in der EU, da drängt sich alles.
Die Altstadt ist jedoch recht nett anzusehen mit ihren Gassen, Plätzchen und Türmchen. Als die Schatten länger werden entscheide ich mich für einen einen Tisch vor einem Wirtshaus unweit meines Hotels und bestelle eine gute Portion Kasnocken. Dazu gibt’s zwei Gläser des vollmundigen Bieres, das in der eigenen kleinen Hausbrauerei gebraut wird.
Der Abend wird nicht spät: mir ist frisch und so gehe ich zurück auf mein Zimmer.
Etwas Gutes hat der zeitig gestörte Schlaf am nächsten Morgen ja: Früh mache ich mich auf den Weg und spaziere bei strahlendster Morgensonne hinauf zur alten Burg, die hoch über Stadt und Donau thront. Nur ein asiatisches Touristenpärchen ist mit mir dort oben. Der Blick schweift über Bratislava mit seiner kleinen, fast zerbrechlich wirkenden Altstadt. Dahinter sozialistische und moderne Hochhäuser, urbanes Wuchern, Einkaufszentren, qualmende Fabriken, Windräder und Hügelketten im Dunst…
Als ich wieder in die Gassen der Altstadt gelange, öffnen gerade erst die Kaffeehäuser. Ich will Kuchen zum Frühstück. Ich bin im Urlaub. Und so sitze ich vor einem dieser Cafés aus Habsburger-Zeiten in der Sonne, trinke Tee, gönne mir eine große Portion herrlicher Kalorien und höre den Touristen um mich herum zu. Um 11 Uhr bin ich wieder am Bahnhof. Die Reise geht weiter. In die Berge.