Also fahren wir halt nach Graz. Warum ausgerechnet dorthin ist mir lange nicht klar. Graz. Das liegt irgendwo auf der Karte von Österreich… rechts unten? Ich habe keine Ahnung – und finde das ganz reizvoll.
Also Graz. Zusammen mit den Jungs. Fast macht mir die liebe S-Bahn München einen Strich durch die Rechnung: Auf den letzten Metern Totalausfall, schnell hechelnd mit dem Taxi zum Busbahnhof. In nur fünf Minuten Fahrt schafft es der Taxler über den Münchner Verkehr, Flüchtlinge und selbstfahrende Autos zu schimpfen. Ich glaube, nächstes Mal nehme ich lieber die Tram…
Mit dem Fernbus geht es quer durch Österreich. Viel Stau, Ferienbeginn. Bei ibis am Hauptbahnhof quartieren wir uns ein. Vom Bus zur Rezeption sind es 20 Meter.
In die Innenstadt ist es ein kurzer Spaziergang die Annenstraße entlang. Die Straße ist eines dieser Wirtschaftswunderjahregeschöpfe, in der einmal der ganze Glanz der bunten, schillernden Welt des neuen Wohlstands in den zahlreichen Schaufenstern lag. Der Lack ist heute etwas ab. An Döner-Buden und Handy-Geschäften geht es vorbei.
Je näher wir dem Fluss kommen – die Mur, welche Graz durchtrennt – desto stärker blitzt das alte K.u.K.-Österreich hervor. Schließlich übernimmt es mit Wucht die gesamte Szenerie, und ich staune.
Graz glänzt mit dem Flair vergangener Zeiten. Es riecht und schmeckt nach Torte mit Schlagobers, Walzerklängen, pompösen Majoren in lustigen Gala-Uniformen. Das ganze Ensemble eines Sissi-Films tanzt durch meinen Kopf während ich durch die Straßen und Gassen dieser Stadt spaziere. Hoch droben thronen die Überreste der alten Burg – welche einst Napoleons Truppen in die Luft gejagt haben. Zuvor trotzte sie jahrhundertelang den Osmanen. Viel Geschichte. Die Altstadt ist Weltkulturerbe. Doch Touristenhorden fehlen. Das ist recht angenehm.
Mit hurtigen Schritten durchqueren wir die Stadt – bis wir an ihrem Rand in einer Buschenschank an einem Tisch Platz nehmen. In diesem Lokal schenkt der Winzer selbst seinen Wein aus. An die österreichische Eigenheit, diesen guten Wein mit Wasser zu strecken, mag ich mich nicht recht gewöhnen… Dazu gibt’s ein riesiges Jausen-Brettel, brechend voll mit Wurst und Käse. Der Abend wird lustig.
Am nächsten Morgen nehmen wir die Straßenbahn hinaus nach Mariatrost. Dort sind wir schon arg im Grünen und oben auf dem Hügel ragt die Wallfahrtskirche gen blauen Himmel. Es ist drückend heiß, schon deutlich mehr Mittelmeer als Mitteleuropa. So schleppt es sich die Treppenstufen zur Basilika hinauf. Innendrin strahlt der barocke Pomp. Draußen gefällt mir besser. Mein Blick geht über die grünen Hügel und ich wünschte, ich hätte mehr Zeit für die lieblich-daliegende Steiermark…
Den Nachmittag lassen wir uns durch die Straßen der Altstadt treiben, dann hinauf auf den Burgberg. Dunkle Wolken hängen jetzt über unseren Köpfen, alles dampft, wir schwitzen. In einem teurem Café mit hübscher Aussicht gibt es Eistee. Dann fahren wir hinaus zu UNESCO Weltkulturerbe Nummer 2: In einem weiten Park liegt das barocke Schloss Eggenberg. Pfaue stolzieren durch den Innenhof. Die Gärten sind hübsch; in einer Ecke spielen zwei Männer Jazz – um sie herum sitzen adrett-sommerlich angezogene Grazer beim Picknick.
Vorletzter Stop für diesen Tag: Wein bei einem Heuriger direkt an der Murr. Das kleine Weinlokal hat eher was von Kiosk und Schrebergarten. Doch der Wein ist gewohnt gut. Fröhlich geht es zurück in die Altstadt. Es donnert, es blitzt, die Last der Wolken entlädt sich nun mit voller Wucht. In einem uralten Gasthaus kehren wir ein.
Graz ist wahrlich ein Genuss.