Beständig bricht die Brandung an den Strand. Das tiefe Rauschen des Indischen Ozeans ist der Sound von Tofo. Auf den Wellen tanzen Surfer. Der Himmel ist immer wieder mal bedeckt, was uns nach dem Strahlendblau der letzten zwei Wochen in Afrika recht merkwürdig vorkommt. Tofo ist relaxt, ein Aussteigerparadies, irgendwo weit hinter Raum und Zeit.
Zehn Stunden zog sich die Fahrt von Maputo, wie gewohnt in einem übervollen Bus. Als wir Tofo erreichen sind wir ziellos. Vom Ort wissen wir nicht viel, um eine Unterkunft müssen wir uns noch kümmern. Ein junges Mädchen steigt ebenfalls mit uns aus dem Bus aus, ich spreche sie an. Sie hat sich das billigste Motel ausgesucht; ich frage, ob es sie stört, wenn wir sie – ahnungslos wie wir sind – begleiten.
Mit dickem deutschen Akzent begrüßt uns dort ein großer Mann mit Zottelhaaren. Joachim heißt er, kommt aus Hamburg, lebt sein was-weiß-ich-wie-lange schon in Mosambik, und hat hier Frau und Kind. Gemeinsam mit einem weiteren deutschen Aussteiger, Jochen aus Berlin, führt er hier jetzt dieses Haus. Es ist so leicht in Tofo hängen zu bleiben… Jochen sehen wir morgens mit seiner schwarzen Hündin vor dem Haus sitzen, aus seinem Laptop ertönt ein Berliner Radiosender. Die Verkehrsnachrichten klingen hier an diesem Ort mit Blick auf den Indischen Ozean so … unwirklich. Drumherum springt ein putzig-frecher Welpe mit dem passenden Namen Otto.
Die Zimmer in kleinen Hütten sind einfach, aber gut. Ich dusche mir erstmal den Dreck der Reise ab… Auf der Veranda treffe ich Joelle wieder, die Holländerin von eben. Sie ist seit mehreren Monaten kreuz und quer auf dem Kontinent unterwegs: Äthiopien, Kenia, Tansania, Malawi, Simbabwe, Botswana… Gemeinsam gehen wir essen.
Nur wenig erinnert in Tofo an Afrika: ein paar kleine Hotels, Ferienhäuser, Lokale. Der Markt ist noch etwas bunt-afrikanisch. Doch stehen die Marktleute hier an Ständen mit auffallend viel Alkoholika. Es ist Nebensaison, der Trubel hält sich in Grenzen. Das ist ganz angenehm. Sonst riecht Tofo arg nach Party.
Delfine im Liebesspiel
Am nächsten Morgen gehen wir den Strand entlang. Der Sand glänzt weißgolden und ist fest unter den Füßen. Wir wollen an das Ende der Bucht. Die Entfernung täuscht. Extrem. Eine Stunde lang marschieren wir, unser Ziel erreichen wir nicht. Der Strand wird felsiger, in der Brandung stehen Männer und fischen. Irgendwann machen wir kehrt.
Zurück im Ort legen wir uns in den Sand und dösen; ich gehe ins Wasser, das hier merklich kühler ist als noch in Ilha de Moçambique. An Schwimmen ist bei den Wellen nicht zu denken. In einer Strandbar bestellen wir Bier: „Dois Manica!“, zwei Manica – mittlerweile haben wir eine bevorzugte Marke in Mosambik…
Das Highlight von Tofo seien die Tauchgänge. Daniel bucht zwei, mir fehlt der Tauchschein. Stattdessen blicke ich aufs Meer. Der Kopf leert sich. Der Wellenklang, die leichte Brise, das absolute Nichtstun… ich verliere mich, fühle mich fast high allein von diesem Ort.
Für die Wal-Saison sind wir ein, zwei Wochen zu spät dran. Mächtige Buckelwale ziehen jährlich auf ihrem Weg nach Norden am Strand vorbei. Doch dieses Jahr seien es erstaunlich wenige gewesen, meint Jochen. Irgendwas ist los.
Wir gehen auf Safari, gemeinsam mit einem Dutzend Touristen. Neoprenanzüge kleben an unseren Körpern, zusammen sitzen wir in einem Schlauchboot, das über die Wellen heizt. Wir suchen Walhaie, diese Küste sei Revier dieser sanften Giganten. Die Zeit verstreicht, die Enttäuschung wächst. Von Tieren keine Spur. Etwas planschen wir mit Schnorchel und Taucherbrille über einem Riff. Mehr ist nicht. Unser Skipper ordert die Rückkehr an. Schade.
Dann doch noch: Delfine.
Fickende Delfine.
Die Tümmler sind gerade mächtig in Action, die Touristen aus dem Häuschen und springen ins Wasser. Ich bleibe im Boot. Die Delfine verdrücken sich. Hätte ich an ihrer Stelle auch gemacht…
Der Wellengang schlägt mir langsam auf den Magen, der Kopf fängt an zu schwirren. Auf der Fahrt zurück an den Strand halte ich mich mit aller Kraft fest; mir ist, als könnte ich jeden Moment von Bord rutschen. Dann endlich wieder festen Boden unter den Füßen.
Die Tour war eine Enttäuschung. Aber ist auf Safari damit nicht zu rechnen?
Art Deco und gefundenes Gepäck
Am nächsten Morgen fahren wir in das nahe Inhambane. Eine hübsche kleine Stadt: Breite Alleen, koloniale Häuschen und Villen aus den 40ern und 50ern. Das Kino ist ein Art-Deco-Prachtbau und irgendwo stehen zwei kleine Moscheen. In einem mediterran-wirkenden Straßencafé trinken wir Cola. Der Unterschied zwischen dieser Stadt und den Orten und Dörfern in Malawi, aber auch den Strohhaussiedlungen in Mosambik, könnte größer nicht sein. Ich mag das, Daniel vermisst allerdings das lebendige Chaos.
Mit dem Taxi fahren wir rüber zum kleinen Airport. In der Abflug- und Empfangshalle, die kaum größer als mein Wohnzimmer ist, steht einsam und verlassen in der Ecke… Daniels Rucksack.
Seit Tagen telefoniert er diesem nach. Auf unserem Flug nach Maputo war er verloren gegangen; irgendwo zurück geblieben in diesem riesigen Land. Die Airline meinte, sie würde die Tasche nach Tofo nachsenden. Aber was ist so ein Spruch schon wert? Nach mehreren Tage ohne konkrete Aussage wuchs die Ungewissheit. Dann der erlösende Anruf. Und jetzt ist die Tasche wieder da.
Am letzten Abend in diesem relaxten, berauschten Ort essen wir in einer netten Pizzeria. Sind wir noch in Afrika? Dann trinken wir einen oder zwei Gin & Tonic an unserer Bar am Motel. Ein letztes Mal gehe ich an den Strand, der Brandung entgehen. Über mir der ungetrübte Sternenhimmel. Ich atme die Seeluft ein, höre auf das Rauschen. Es wird Zeit, Tofo zu verlassen… Morgen um 4 Uhr früh fahren wir zurück nach Maputo…
Spannende Lektüre. Der Text macht echt Lust, Mosambik zu bereisen. Von dem Land hört man sonst ja kaum was.
Danke dir! Mosambik ist spannend, abwechslungsreich, freundlich, riesig… Wir haben nur ganz knapp an der Oberfläche kratzen können. Hätte gerne noch viel mehr gesehen – beim nächsten Mal :)