In die Berge 3/2016 – Herzogstand

Freitag, 12:30. Der Stift fällt. Schnell raus aus dem Büro, draußen strahlt die Sonne. Dann ab auf die Autobahn, Richtung Garmisch. Ein Luxus: vor Kurzem leistete sich eine Freundin ihr erstes Auto. Das bietet nun Spontanität. 90 Minuten nachdem ich das letzte Dokument geschlossen und den Computer heruntergefahren habe stehe ich am Ufer des türkisblauen Walchensees – bayerisches Karibik-Feeling.

Die Farbe ist intensiv, wie von ein anderen Welt. Kleine Segel huschen kreuz und quer über das Wasser. Ein Paradies für Windsurfer. Unser Ziel liegt höher: der Herzogstand, 1713 Meter. Rucksack geschultert, Wanderstöcke in die Hände, los geht’s. Das Thermometer zeigt weit über 30 Grad…

Es dauert nur wenige Minuten: Schweiß. Wir laufen durch schattige Wälder, doch zu Beginn steht hier die Luft. Es riecht nach harzenden Bäumen. Die Hitze saugt alle Kraft aus meinen Muskeln und Knochen. Schnell kämpfen wir – okay, vor allem ich – mit der Kondition. Ein paar Wanderer kommen uns entgegen. Ein „Servus“, hier,  ein „Servus“ da. Einmal auch „Bonjour“, einmal ein „Moin“.

Wir gewinnen an Höhe, hart erarbeitet. Ein Lüftchen weht, es wird angenehmer, aber nur wenig leichter. Da: ein Wasserfall. Das kühle Nass läuft in meine Hände, tauche mein Gesicht hinein. Ich lebe. Die Hälfte haben wir jetzt geschafft. In Serpentinen geht es immer weiter hoch. Ein schöner Weg, auch kein schwerer. Eigentlich. Nur die lang erwartete Sommerhitze schlaucht.

Schließlich eine Holzbank, kurze Rast – und von dort: Blick ins Tal, auf den blau-strahlenden See, dahinter eine unendliche Kette an Berggipfeln.

 

Blick auf Wald, Berge und See auf dem Weg hoch zum Herzogstand

Auf dem Wanderweg hoch zum Herzogstand

 

Weiter. Eine Biegung, dann sehe ich ein paar Meter über uns Sonnenschirme. Geschafft: das Herzogstandhaus. Doch noch kehren wir nicht ein, die Freundin treibt mich weiter an. Dabei will ich nicht mehr. Die Beine brennen. 40 Minuten bis zur Spitze, sie erzählt was von Blumen, ich kann nicht zuhören. Vorbei an niedrig-stehenden Nadelgehölz gehen wir die letzten Meter nach oben.

Dann stehen wir da, am Gipfelkreuz: auf der einen Seite der Walchensee und die endlos erscheinende Welt der Alpen. Auf der anderen der Kochelsee, Staffelsee, Starnberger See, links gerade so noch zu erkennen der Ammersee – und ganz weit hinten im Dunst, da dürfte wohl München liegen. Gerade mal eine gute Stunde Fahrt entfernt.

Wir verweilen ein bisschen. Ich esse meine letzte Erdbeeren, die den Weg und die Hitze in meinem Rucksack erstaunlich gut überstanden haben. Ein älteres Ehepaar bittet um ein, zwei Fotos. Sie kommen aus Rheinland-Pfalz, aus der Nähe von Bad Kreuznach. Irgendwann habe ich da in der Gegend mal studiert…

 

Panorama vom Gipfel des Herzogstands mit Walchensee

Blick über Gebüsch vom Herzogstand hinunter zum Walchensee

Gipfelkreuz vor Alpenpanorama, vom Herzogstand aus gesehen

 

Auf der Terrasse des Herzogstandhauses nehmen wir einen der Logenplätze mit gigantischem Panorama ein. Wir trinken Cola und Johannisbeerschorle – unter uns der Walchensee, vor uns die Kette der Alpen. Berggipfel hinter Berggipfel. Auf manchen sehen wir noch Schnee. Wie eine fremde, verwunschene, uns lockende Welt.

 

Bergpanorama vom Herzogstand aus gesehen

 

Der Abstieg ist angenehm, die Schatten sind länger geworden. Es ist ruhig im Wald. Ich genieße die Stille und den sommerlichen Duft. Kurz vor 8 Uhr abends sind wir wieder unten am See. Es ist noch hell, goldenes Juni-Licht.

Die Klamotten fallen, wir springen ins Wasser. Kalt, doch nicht so kalt wie befürchtet. Der Schweißfilm des Aufstiegs wird weggespült. Ein Stück schwimme ich raus, vor mir die Berge, hinter mir die Abendsonne, bis das kalte Wasser in den Gliedern zwickt. Zurück ans Ufer. Ausdampfen, trocknen, diesen wunderschönen Freitag-Nachmittag setzen lassen, uns versprechend, das bald wieder zu machen.

Eine Stunde später bin ich glücklich und müde zu Hause.

 

Walchensee-Panorama

 

Das war Tour #3 in diesem Jahr… die erste Tour ging im Frühjahr durch die Partnachklamm, die zweite vor ein paar Wochen etwas ziellos auf die Berge rund um den Sylvensteinsee. Jetzt drauf hoffen, dass die Wettergötter gnädig sind und es mich bald wieder in die Alpen zieht. 

12 Kommentare zu „In die Berge 3/2016 – Herzogstand

  1. Jeder Wahl-, Teilzeit-, Lebensabschitts- oder Geburtsmünchner der die Berge liebt, kennt diese Scnell-mal-in-die-Berge-Touren und die Empfindungen und Gefühle auf einer solchen Tour. In meiner Zeit in München gehörte noch zusätzlich immer noch die Einkehr in einem Biergarten auf dem Rückweg dazu 😉.

    1. Deine Kritik, was den Rückweg angeht, ist angekommen. ;) Wir hatten es auch kurz diskutiert (natürlich!), aber nach der Arbeitswoche plus der Tour wollten wir heim, bevor uns die Augen zufielen.
      Aber es sicherlich ein Versäumnis, das wir nächstes Mal nachholen werden!

      1. Das ist verständlich. Mit verschlossenen Augen nach München zurück, könnte bei gem heutigen Verkehr tödlich enden 😉.
        Ich finde es einfach treffend beschrieben… wie ihr euch „den Berg hochquält“ um dann doch glücklich die Aussicht zu genießen. Und mit einem beseelten Glücksgefühl den Heimweg anzutreten, und dabei alle Last des Alltags hinter sich lässt.
        Das sind die Momente, an die ich mich immer wieder gern zurückerinnere.

  2. Hallo,
    schön geschrieben, prima Bilder! Wünsche weiterhin viele Touren. Egal, ob mit oder ohne Einkehr. Die Hauptsache es macht Freude :-)
    LG, Wi + Gi grenzenlos

  3. Die Tour ist wunderschön und nicht umsonst ein Klassiker. Sie am Freitag zu gehn war wohl genau richtig, an den Wochenende ist immer die Hölle los.

  4. Ich habe mir für dieses Jahr so viele tolle Touren vorgenommen – und erst so wenig geschafft (und darüber gebloggt noch gar nicht). Ich muss echt mal zu Potte kommen!

    1. Es ist kein Trost: aber so geht es mir Jahr für Jahr.
      Der Herzogstand ist eine der klassischen Touren für Münchner – und ich hab 8 Jahre dazu gebraucht. ;)

      1. ich hoffe, ich schaffe das schneller!
        Immerhin habe ich tatsächlich einige Sachen schon gesehen, die einige meiner Kollegen, die seit 10+ Jahren hier leben, noch nicht gesehen haben ;) Ich bin also wohl gut dabei

  5. Geniale Aussicht und bei dieser lohnt sich ein derart anstrengender Aufstieg auf jeden Fall. Bestimmt Glücksgefühle pur am Gipfel :)
    Mir hat der Walchensee bis dato nichts gesagt, aber diese türkise Farbe ist der Hammer und hoffentlich behalte ich mir den Namen in Erinnerung. Zwar ist München etwas weiter weg von mir, aber ein paar Wanderziele im Nachbarland können nie schaden – vor allem nicht wenn sie so herrlich sind!
    Hut ab, dass du bei 30 Grad wandern gegangen bist, ich glaube ich wäre beim Aufstieg irgendwo liegen geblieben.
    Grüße aus dem Wunderland
    Dori

    1. Hey Dori,
      das mit den Wanderzielen im Nachbarland kann ich so unterschreiben – wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen. ;)
      Danke dir für deine Worte und ebenso schöne Grüße,
      Tobias

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