Las Vegas und ich

Januar 2013. Las Vegas, du und ich, ne, das wird nix mehr. Du bist zu grell, zu künstlich, willst doch nur mein Geld.

Im Fahrstuhl unseres Hotels begegne ich einer Frau: Klein, Chemie-Blond, mit Titten, so aufgebläht wie Luftballons, die Lippen bis zum Platzen aufgespritzt. Bist du das, Las Vegas? In Rest-Fleisch geformt?

Immer wieder wandere ich deinen Boulevard auf und ab. Die Sonne strahlt, doch es ist schweinekalt. In billigen Kostümen posieren Typen mit Touristen. Geld wollen sie dafür, wie so alle hier in dieser Stadt. Bettlertum als verlauster Chewbacca, Elmo, Krümelmonster, Super Mario. Mir tun sie leid.

Ich gehe vorbei an den Hotelpalästen, alle enorm kitschig auf ihre Art: Bellagio, Caesar’s, MGM, Mirage, Paris Las Vegas. Sie ziehen Menschenmassen in sich hinein, wie Staubsauger – und wollen sie nicht mehr los lassen. Denn sie sollen hier verdammt nochmal ihre Kohle rauswerfen. An den Spieltischen, an den blinkenden Automaten; dort die Zeit vergessen. Nur noch Geld ausgeben. Tageslicht gibt es dort nicht. Dafür Shops, Bars und viele geplatzte Träume.

Arme Seelen auf dem Las Vegas Boulevard

Las Vegas Boulevard mit Trommler

Vegas, du erschließt dich mich mir nicht. Du bist wie der Star jeder Party, der so viele Gäste blendet. Ich seh dich an, denke nur: du bist armselig. Hast doch nix anderes als dein Neon-Glitzern. Vegas, hast du Freunde? Also so richtige? Die von der Pferdestehl-Sorte? Das kann ich kaum glauben.

Ich bin verwirrt. Denn Kunst- und Fantasiewelten, da bin ich doch gern. Mit viel Freude und Leidenschaft gebe ich mich ihnen hin.

Aber du Vegas, irgendwas passt da nicht. Vielleicht verbringe ich zu viel Zeit mit dir. Das kann sein. Wie ein schöner, geiler One-Night-Stand. Neben dem man allerdings besser nicht aufwacht. Das peinliche Schweigen beim Frühstück. Der sinnentleerte, sich in die Länge ziehende Small Talk bis du dich anziehst und endlich aus meinem Leben verschwunden bist. Das bist du für mich, Vegas.

Deine Hotelpaläste lassen mich ratlos zurück: So grell, so ohne Stil – dabei gibst du ein Vermögen aus, um dir irgendeinen Stil zu erkaufen.

Das Bellagio in Las Vegas

Mir bleibt selbst nichts anderes, als Geld auszugeben – was soll ich hier auch anderes tun? Am Mirage sehe ich Delfine und die großen Katzen von Siegfried und Roy. Im Grün des Gartens (wir sind in der Wüste) finde ich Ruhe. Arschteuer ist der Besuch. Sowie die Karten für die Kunstgalerie im Bellagio, für die Show im Venetian, den Kaffee – überall. Gelangweilt werfe ich dann halt auch noch ein paar Dollar in die Slot Machines. Wie Zombies sitzen Menschen vor ihnen. Ich muss weiter.

Slot Machines im Mandalay Bay Casino, Las Vegas

Endlich checken wir aus. Die Rezeptzionistin im Polyesterkleid will noch noch 25 Dollar pro Nacht. Ein schlechter Witz names „Resort Fee“. What the Fuck? Wieso? „Für den Pool, den Fitnessraum und weitere Annehmlichkeiten unseres Hotels,“ lächelt sie mich ausdruckslos und Barbie-like an. Der Pool war während unseres Besuchs geschlossen. Und was für weitere Annehmlichkeiten?? In diesem Moment möchte ich losbrüllen. Meinen ganzen Zorn und Wut über dich, Vegas, dieser mir gegenüberstehenden Pute an den Kopf werfen…

…doch ich resigniere. Was kann sie denn auch dafür? Ja, Vegas, ich gebe auf. Ich hole meine Kreditkarte hervor – und bin endlich weg.

 

one more thing

Eines gibt es da jedoch, das mich mit Las Vegas versöhnt, wenn auch nur kurz: Mit unserem Mietwagen fahren wir hinaus in die Wüste. In den Red Rock Canyon National Park, der seinen hübschen Namen völlig zu recht trägt. Die Straße windet sich in eleganten Kurven durch die Landschaft. Scenic Drive nennt sich das, eine wohl sehr amerikanische Erfindung. Immer wieder halten wir an Parkplätzen, wo es besonders schön ist.

Und das ist es auch: Die Berge, die Felsen, die Wüste. Die Farben strahlen kräftig. Roter Fels, blauer Himmel. Ich bin fasziniert. Möchte so viel länger noch hierbleiben. Ich atme tief durch.

Ein Naturschauspiel: Red Rock Canyon nahe Las Vegas

Dann geht es zurück nach Las Vegas, dieser grellen, aufgeblähten Stadt mitten im Nichts. So wie diese aufgepumpte Blonde aus dem Fahrstuhl…

 

 

14 Kommentare zu „Las Vegas und ich

  1. Oh, danke für diesen Artikel. Ich habe Las Vegas zwar noch nicht besucht, aber ich war immer skeptisch als ich die begeisterten Berichte von anderen las. Ich zweifelte ob die Glamourstadt mit den Pyramiden- und anderen Hotels wirklich was für mich wäre. Genauso wie ich auch bei Dubai zweifle…
    Ich hatte schon mal Probleme in einer großen Ferien-Hotelanlage, weil da alles so künstlich war und bin regelmäßig nach draußen „geflüchtet“. Seither tingle ich im Urlaub lieber von Hotel zu Hostel zu B&B und zurück. Echtes Leben treffen ;-)
    Ich bin daher wirklich froh um diesen Artikel und darum zu lesen, dass nicht alles Gold ist was glänzt! Dass es noch anderen so geht, wie ich befürchtete dass es mir gehen würde, wenn ich hingefahren wäre.
    Das Ende des Artikels ist dann wirklich zum Durchatmen. Ein Fleckchen gefunden von dem man hinterher sagen kann, dass die Fahrt dorthin sich doch gelohnt hat!

    1. Hallo Thomas,

      oh, die ganzen armen Typen in ihren grellen Shirts, die für Strip-Shows warben, hatte ich schon ganz vergessen!

      Danke dir für deine Eindrücke!

  2. Ich liebe Las Vegas und freue mich jedes Mal wieder auf die Veränderungen. Es gibt durchaus Ecken mit Flair, z.B. das Neon Museum oder Downtown mit seiner kitschigen Fremont Street und dem einzigen Denny´s, der eine Full Bar hat.

    Las Vegas ist anstrengend, schmutzig, laut, voll und hat sehr viele Ecken, die man sich sparen kann. Resort Fee erschließt sich mir auch nicht, ebenso wie Golfplätze in der Wüste. Trotzdem liebe ich den Kitsch, das Shopping, die Buffets und die Renter, die morgens um 6 Uhr in den Casinos sitzen.

    Eine Alternative zum Red Rock Canyon ist das Valley of Fire. Eine Autostunde nördlich von Las Vegas. Das geht auch super für einen Tagesausflug (ich schreib gerade an einem Artikel dazu).

    1. Ich weiß, dass du Vegas liebst. :)
      Mir erschließt sich die Stadt allerdings nicht – und Sätze wie „der einzige Denny’s, der eine Full Bar hat“ helfen nun auch nicht gerade, mich zu bekehren. Shopping fand ich überraschend teuer (vor allem im Vergleich zu San Francisco später), die Rentner waren mir unheimlich, und ich war vermutlich einfach zu lange in dieser Fata Morgana mit Spielautomaten.
      Entschuldige. Das wird nix mit mir und Sin City.

  3. Hi,
    ich war vor ein paar Jahren dort, nur für 2 Nächte und leider stark erkältet, aber ich fand es toll. Klar, ist alles künstlich, aber es ist wenigstens ehrlich. Wenn man hinfährt ist klar: es geht nur um’s Geld. Nix Romantik oder nice view oder history.

    Woanders geht es auch oft ums Geld, es wird aber gerne nicht so direkt gesagt. Las Vegas ist da gnadenlos ehrlich. Und das finde ich erfrischend. Denn dann kann ich mir überlegen, ob ich da mitmachen möchte oder nicht.

    1. Hey,
      dass ich mit meinem Eindruck von Las Vegas auf Gegenstimmen stoße, war mir beim Schreiben klar. :)
      Ich hab auch einige große Vegas-Fans im Bekanntenkreis…

      …nur ändert das *für mich* nichts daran: was du als „gnadenlos ehrlich“ wahrgenommen hast, empfand ich als „gnadenlos falsch“ – diese Illusion, dass es alles Glück für Geld zu kaufen gibt. Bei mir hat diese Stadt einfach diesen sehr bitteren Nachgeschmack hinterlassen.

  4. Las Vegas hat doch so viel mehr zu bieten… Und auch so viele kostenlose Dinge, die die Fontänen des Bellagio, der Vulkanausbruch am Mirage oder der Containerpark in Downtown. Ich verstehe, dass der Strip nerven kann. Aber ehrlich gesagt kann ich das Gejammer über die Preise nicht nachvollziehen. Las Vegas ist derart billig… Sorry. Ich lebe bei San Francisco und teuer hat hier eine ganz andere Dimension. Hier kannst Du nicht im Hotel in der Innenstadt für 40$ schlafen, ohne die Bettwanzen einzufangen.
    Las Vegas ist nichts für einen Naturliebhaber oder jemanden, der keine Menschenmassen mag. Aber das weiß man. Es ist crazy, laut, bunt, schmutzig, von arm zu reich in wenigen Stunden und dann wieder zurück… Dafür steht Vegas. Es ist in jedem Fall einmal sehenswert – und sei es nur, um sich selber nicht als Zombie an der Slot-Machine wiederzufinden.

    1. Hey Nadja,

      auf die Hotelpreise wollte ich gar nicht eingehen. Wäre etwas unfair: wir waren (ging nicht anders) zu einer recht teuren Zeit in Las Vegas – und so waren unsere Zimmer dort tatsächlich deutlich teurer als ein paar Tage später in San Francisco.
      Die Bellagio-Show hab ich mehrmals gesehen – auch etwas aus Langeweile heraus. Es waren auch nicht die Menschenmassen, die mich nervten (damit habe ich keine Probleme)… eher dieses Gefühl, dass diese Stadt mir an jeder Ecke das Geld aus der Tasche ziehen will. Dass dies der einzige Sinn von Vegas ist. (Und wenn man genau darüber nachdenkt, ist das ja auch der Fall… die Casinos wollen ja verdienen.)

      Aber das ist meine persönliche Meinung, die nicht richtiger ist als eine andere. Dass sich auf so einen Negativ-Beitrag natürlich Widerspruch regt, ist ja klar – und auch spannend zu lesen! :)

      Schöne Grüße aus München an die Westküste,
      Tobias

  5. Tolle Bilder hast du von Vegas. Die Stadt ist bekannt dafür, dass es nur ums Geld geht. Die meisten Besucher reisen deswegen dorthin :-) Aber ich weiß was du meinst. Wenn man sich überhaupt nicht angesprochen fühlt, alles irgendwie falsch wirkt und nichts wirkliches findet, dann ist man am Ende enttäuscht von der Stadt. Das kann dir aber auch bei einem Städtetrip passieren wo du aufgrund der Sehenswürdigkeiten und dem Ruf meinst, dass diese Stadt dich umhauen wird. Die Realität und die eigene Wahrnehmung zeigt ggfs. ein anderes Bild. Weiterhin viel Spaß beim Reisen.
    Viele Grüße
    Iris

    1. Danke für deinen Kommentar!
      Klar, dass ich von Vegas ein bestimmtes Bild im Kopf hatte, das war klar. Dafür ist die Stadt einfach in der Popkultur zu präsent. Aber wie die Stadt dann auf mich wirkte, hat mich überrascht… aber auch das war eine Erfahrung wert.

      Liebe Grüße zurück,
      Tobias

  6. Hi Tobias! Danke für den Artikel! Ich dachte schon fast, ich sei alleine. Las Vegas hatte mich die ersten zwei Mal unangenehm überrascht. Wie von dir beschrieben mit den Resort-Fees (und das sogar in einem Backpacker Hostel). Und der Hochglanzfassade des Strips. Erst beim dritten Besuch habe ich andere Seiten der Stadt kennengelernt. Und ich habe mir jetzt selbst die Challenge gesetzt beim nächsten Besuch irgendetwas abseits vom Strip zu entdecken. In diesem Sinne: https://www.wolfsgezwitscher.de/las-vegas-fuer-leute-die-las-vegas-hassen/

    1. Hey Chris,
      danke dir für deine Eindrücke aus dem „anderen“ Las Vegas… das klingt, nun ja, nicht unbedingt nach einer Stadt, die mir gefallen, aber sicherlich interessieren könnte. Sowas könnte ich mir für das nächste Mal (und du hast ja recht: die Stadt liegt einfach da im Weg!) auch vorstellen… danke dir nochmal dafür!

      …vom Strip hab ich allerdings genug. Einmal reicht.
      (Wobei ich vor kurzem erst noch die „Kopie“ in Macau besucht habe… und noch nicht so recht weiß, was ich davon halten soll.)

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