Gänsehaut, ein Kraftakt. Ein Klang so voll, warm, golden. Ein Erweckungserlebnis. Die Musik schießt mir tief bis ins Mark. Grandios. Schwer finde ich Worte für diese Empfindung.
Beethovens 9. Symphonie in der neuen Philharmonie in Paris. Die ersten Töne treffen mich mit ungekannter Wucht. Ich tauche ein, lasse mich mitreissen. Nach 45 Minuten erhebt sich der Chor. Der 4. Satz beginnt, ich platze vor Glück und bin unendlich gerührt. Im Moment bin ich sehr dankbar, hier zu sein.
Am Morgen hatte ich von diesem Konzert gelesen. Eine Gratis-Aufführung der Philharmonie, zur Fête de la Musique. Jährlich, am 21. Juni, feiert ganz Frankreich Musik in all ihren Formen – vom kleinsten Dorf bis hin zur Hauptstadt. Ein herrliches Fest. Zwei Stunden stand ich mit sehr fröhlichen Parisern vor dem erst vor wenigen Monaten eröffneten neuen Konzerthaus an. Eine Band spielt eine merkwürdig-bunte Mischung an Pop, Musicalnummern und Filmmusik.
Dann betrete ich den Saal, finde einen Platz nahe am Orchester und beginne diese großartige musikalische Reise. Beethovens 9. Symphonie berührt mich. Voller Schönheit baut sie sich auf, bis hin zu Schillers unsterblichen Worten, bis hin zu einer Explosion an Klang. Alle Menschen werden Brüder. Fürwahr.
Vor dem Konzerthaus, im Parc de la Vilette, musizieren verschiedene Gruppen. Musik aus Afrika, Südamerika, den französischen Inseln. Ich nehme die Métro nach Republique und laufe dort gegen eine Wand aus Menschen. Sie jubeln einem sehr kleinen, blonden Popsternchen zu, das auf einer großen Bühne singt.
Musik überall: In den Cafés, auf den Boulevards, in den Seitenstraßen, an allen Ecken. Ich laufe den Boulevard Voltaire entlang. Links und rechts spielen Live-Bands, DJs legen auf, mitten auf der Straße jammt eine junge Blaskapelle. Menschen bleiben stehen, tanzen, sie genießen den warmen Sommerabend. Vor einer Kirche singt ein Nachbarschaftschor. Das machen sie nicht gerade gut, aber mit so viel Freude, dass ich gerne bleibe.
Zuletzt nehme ich an einem Tisch vor einem Bistro Platz. Ich trinke Wein. In einer Ecke drängen sich drei Jazz-Musiker, und ich höre einfach zu…