Rom III – Das Fegefeuer

Es ist ja unsere eigene Schuld, dass wir nun im Fegefeuer landen. Und dafür auch noch drei Stunden anstehen. Wir hätten es auch einfacher haben können.

Es folgen Schubsen, Drängeln, Menschenverstopfung, verschlossene Türen.

Der Vatikan ist, nun, nicht ganz die Hölle auf Erden. Doch an diesem Vormittag, an dem Daniel und ich uns durch die Vatikanischen Museen schieben, ist er auch nicht weit davon entfernt. Also Fegefeuer. Das ist zumindest etwas sehr katholisches, denke ich mir.

Wir hatten die Tickets nicht vorab reserviert, was so einfach hätte sein können. Als Strafe stehen wir nun drei Stunden an. Zu unserer linken die dicken Festungsmauern des Vatikans, das Schlangenende nicht in Sicht. Dieses Unwissen nagt am Verstand.
Nach zwei Stunden lasse ich Daniel alleine und hole Pizza bei einem Bäcker zwei Straßen weiter. Als ich zurückkomme ist Daniel ganze fünf Meter weiter vorgerückt.

Die eine Qual endet, die nächste beginnt: Endlich stehen wir in den Vatikanischen Museen.
Erdrückt von Besuchermassen, die sich durch die Gänge drängen. Wir werden von ihnen mitgetragen, werden Teil der Masse, wir fließen an Gemälden vorbei, und an versperrten Türen. 
Jeder zweite Saal scheint geschlossen, es wird saniert und renoviert. Die Masse schwappt weiter.
Kurz brechen wir aus, finden eine offene Ausstellung, sind begeistert, und begreifen, dass wir in der Briefmarkensammlung des Vatikans gelandet sind. Zwei Minuten sind wir interessiert, wir lachen irre, dann sind wir wieder Teil der Masse.

Die antike Statue des Laokoon und seinen Söhnen, die von der Schlange erdrückt werden. In den Vatikanischen Museen.

Aus dem Augenwinkel sehe ich Statuen, Malereien, Mosaike, reich geschmückte Wände. Wie zum Hohn, die Masse drängt weiter. Ein Kinderwagen fährt mir in die Hacken und ich bekomme Mitleid mit den Eltern.
Dann der Höhepunkt: die Sixtinische Kapelle. Michelangelos Decken-Fresko, Gott und Adam’s Fingerzeig, ist ein Wunder. 
Besinnlich ist’s hier wie in der Tokyoter U-Bahn. Alles drängt, alles quatscht und mit erhobener Stimme rufen die uniformierten Museumsangestellten im Minutentakt: “No Photos Please!”

Raus, wir müssen an die Luft, es ist nicht länger auszuhalten. Schnelle Schritte durch prunkvolle Gänge, den Reichtum der Kirche zeigend. Auf Informationstafeln, die uns Unwissende erleuchten könnten, verzichtet der Vatikan.

Endlich! Freiheit.
Vor dem nahen Petersdom stehen wieder die Massen. Einmal um den ganzen Platz.
Diese Tortur muss nicht mehr sein.

Wir gehen stattdessen Pizza essen.

 

Postkartenständer mit grell-grüner Karte, die Papst Franziskus mit hochgestreckten Daumen zeigt.

 

12 Kommentare zu „Rom III – Das Fegefeuer

  1. … und italienische Pizza schmeckt sicher besser!! ;-) bei meinem letzten Besuch in Rom habe ich es auch aufgrund der Besuchermassen nicht in den Petersdom geschafft… schon krass!!

  2. Oh ja, das deckt sich mit unseren Erfahrungen in den vatikanischen Museen. Und dabei hatten wir noch Glück, konnten wir doch – dank Rollstuhl – an all den Menschen in der Schlange vorbei. Aber drinnen? Selten ein so lieblos präsentiertes Museum gesehen. In meinem Kopf ist nur: es gab einen Flur mit Wandteppichen, es gab einen Saal mit kaputten Statuen der Antike, es gab einen Saal mit Heiligenbildern, es gabe einen Saal mit… usw. Und all dies schlecht bis garnicht beschildert oder erläutert. Noch dazu natürlich schrecklich überfüllt und die Sixtinische Kapelle – reden wir nicht drüber… Schade, dass die katholische Kirche aus ihren unermesslichen gesammelten Kunstschätzen nicht mehr macht.

    1. Du sagst es: Schade.
      Andere (auch große) Museum schaffen es ja auch, ihre Schätze ihren Besuchern spannend und informativ zu präsentieren. Ich denke da an das MET in New York oder sogar den Louvre …

  3. Oh Mann, das klingt ja nach Spaß :D

    Mein letzter – und einziger – Besuch im Vatikan ist schon drei Jahre her. Allerdings konnte ich mich bei deiner Geschichte nur allzu gut daran erinnern.

    Draußen vor den Festungsmauern hatte sich damals auch eine unglaublich lange Schlange gebildet. Und, du hast Recht – das ändert sich drinnen leider wirklich nicht.

    Einziger Unterschied: Bei mir wurde nicht „No Photos Please!“ gerufen, sondern „Silenzio! Silenzio!“… anscheinend hatte der Typ nicht kapiert, dass er durch sein lautstarkes Rufen der einzige echte Störenfried war…

    Schön geschrieben, Tobias :)
    LG Etienne

  4. Im Vatikan war ich bisher noch nicht (und überlege es mir jetzt auch wohl zweimal, sollte ich mal die Gelegenheit bekommen) aber dieses „Fegefeuer“ erlebt man ja bei vielen großen Touristenattraktionen, ob es nun die Sixtinische Kapelle im Vatikan oder die Hagia Sophia in Istanbul ist. Ich ertrage sowas auch nur schwer und halte mich mittlerweile sogar von solchen Groß-Artaktionen fern. Manche Dinge kann man sich vielleicht doch besser in einem Buch ansehen ;) (allerdings würde ich Michelangelos Meisterwerk schon gern mal mit eignen Augen sehen ; )

    LG Manuel

    1. Sehenswürdigkeiten sind ja oft aus gutem Grund überlaufen: sie sind halt sehenswert. Egal ob Kolosseum, Hagia Sophia, Eiffelturm oder Louvre.
      Mittlerweile gehen die meisten dieser Orte sehr souverän mit den Besuchermassen um. (z.B. Online-Tickets). Und mit etwas cleverer Planung kann man recht gut relativ ungestört diese großartigen Monumente besichtigen.
      Unser Fehler: beim Vatikan waren wir nicht clever.

      Was ich dem Vatikan allerdings ankreide: kaum waren wir drin, schien sich das Museum nicht groß um uns zu kümmern. Hauptsache Ihr seid da, und jetzt bewegt Euch wie die Schafe auf dem Weg, den wir Euch vorgeben. (Die daraus abzuleitende Kirchenkritik verkneife ich mir hier. ;))

      Kurz: der Vatikan managet seine Besuchermassen einfach schlecht.

  5. Eine tolle gefühlvolle Beschreibung einer Romreise… Danke, wir werden diese Erfahrungen bei unserer Reise berücksichtigen.
    Und Rom scheint eines der Reiseziele zu sein, bei denen man sich gerade nicht durch die bekannten und berühmten Attraktionen leiten lassen darf. Dann wird es zum Abhaken von Highlights und damit stressig und entäuschend.

    1. Danke!
      …ich würde die sogenannten „Highlights“ aber auch nicht ganz außen vor lassen: das Forum hat mich schon schwer beeindruckt – aber ja vorher die Tickets reservieren!

      …und ansonsten: einfach durch Rom treiben lassen. Ist die perfekte Stadt dafür. :)

      1. Treiben lassen… genau das habe ich aus deinen drei Artikeln über Rom dann wohl folgerichtig geschlossen. 😉

  6. also, ich find die vatikanischen Museen klasse. War zwei Mal drin und würde sofort wieder reingehen – aber mit Vorabbuchung des Tickets ;) Die Sachen, die dort gezeigt werden, kriegt man so schnell nirgends sonst zu sehen… und so schlimm fand ich die Menschenmassen nicht. Allerdings war ich im November bzw. Februar dort. Nur in der Sixtinischen Kapelle wars mir zu viel.

    1. Hallo Alex,
      danke für die Tipps. Bei uns kam sicherlich einiges zusammen: die Tatsache, dass wir kurzfristig die Museen besuchen wollte (worüber ich mich selbst heute noch ärgere) – aber auch dass zig Säle an dem Tag geschlossen waren. Da schoben sich dann Besuchermassen halt durch die verbliebenen offenen Gänge. Hat einen sehr negativen Eindruck hinterlassen, wie ich ja hier schon schrieb. ;)

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