An meinem ersten Abend in Rom muss ich noch ans Kolosseum. Unbedingt.
In das Alte Rom vernarrte ich mich bereits als kleiner Junge. Ein Reich, von Schottland bis Babylon. Ich verschlang (kindgerechte) Bücher, wählte in der Schule Latein – ein Fehler, wie sich viel zu schnell herausstellte. Nach Rom hatte ich es nie geschafft.
Bis zu diesem Abend. Dort am Ende der Straße steht es, das Kolosseum.
So groß wirkt es nicht. Zuerst. Die Ferne täuscht, daneben stehend sind die Menschen kleine Figuren. Ein Gigant aus Stein.
Zwei Tage später: gemeinsam mit Daniel besuche ich die antiken Monumente. Die Fantasie läuft schnell heiß. Vom Circus Maximus ist nicht mehr als eine grüne Wiese übrig geblieben, doch ich sehe vor mir 200.000 Menschen, die begeistert die Pferderennen im Sand der Arena verfolgen.
Im Kolosseum geht es mir nicht anders. Besucher aus aller Welt drängen sich in den antiken Gemäuern. Ich blicke über das Gerippe der Arena und sehe 50.000 gefüllte Ränge, eine jubelnde, geifernde Menge. In der Loge: der Kaiser. Der Geruch von Menschen, von Tieren, von Blut liegt in der Luft. Ein Spektakel.
Meine Finger streichen über den alten Stein, und die sehr menschliche Frage springt mir in den Sinn: wo waren eigentlich damals die Toiletten?
Wir gehen weiter auf den Palatin. Romulus soll auf diesem Hügel seine Stadt gegründet haben. Sieben-Fünf-Drei, Rom kroch aus dem Ein. In der Republik lebte hier die feine Gesellschaft in ihren Villen. Sie mussten den kaiserlichen Palästen weichen.
Von diesen sind nicht mehr als wenige, rotziegelige Grundmauern übrig geblieben. Wir erkennen noch Gärten und Terrassen. Zypressen wachsen dort, wo vor 2000 Jahren Augustus, Nero, Marc Aurel und die anderen Cäsaren ihr Weltreich regierten. Meine Fantasie spurtet wieder davon.
Ein Weg aus unebenen Pflastersteinen führt hinab zu dem Ruinenfeld, welches einst das Herz des Imperiums schlug: das Forum Romanum.
Mehr als eine Ahnung ist auch hier nicht übrig geblieben von einstiger Macht und Pracht. Eine verlorene Welt… Noch mehr Grundmauern, der Triumphbogen des Titus, der Triumphbogen des Septimus Severus. Dort stand einst der Tempel der Vestalinnen, dort der des Saturn. Die Überreste einer gewaltigen Basilika sind zu sehen, sowie die fast bescheiden wirkende Curiae, wo sie einst der Senat tagte. Die Geister Ciceros und Catos spuken in meinem Kopf.
Vereinzelt stehen Säulen. Ich blicke hinauf, bin überwältigt. Vor meinem inneren Auge erwacht das alte Rom zum Leben: ich sehe Tempel, verstopfte Straßen, höre den Lärm der Stadt. Senatoren, Prätorianer, Händler, einfache Bürger, Sklaven, und staunende Besucher aus der ganzen antiken Welt bevölkern die Plätze, Treppenstufen und Pflastersteine. Eine brodelnde Metropole.
Daniel findet meine Begeisterung und meinen Anflug von Wahn amüsant, er lacht.
In der Abendsonne sitzen wir noch eine Weile auf uralten Stufen, bevor wir in das Rom des 21. Jahrhunderts zurückkehren.
Unweit des Forums spielen Straßenmusiker. Menschen tanzen zu den Klängen.
Am Ende der Straße erhebt sich das Kolosseum.
Die Tickets für Kolosseum, Palatin und Forum Romanum hatten wir vorab über coopculture.it bequem zu Hause gebucht. 12 Euro, plus 2 Euro Gebühr. Spart Nerven und Zeit.
(Noch mehr Nerven und Zeit spart es, die Tickets auch tatsächlich ausgedruckt dabei zu haben …)
„O Rom, mein Vaterland! Stadt meiner Seele!
Die Herzenswaisen wenden sich zu dir,
Ihr kleines Elend weicht in seine Pfähle,
Schaut’s dich, einsame Weltenmutter hier.
Wie ärmlich unser Lied in dem Revier;
Schaut die Cypresse! Horcht dem Schrei der Eulen,
Palast und Tempelschutt ihr Nachtquartier,
Wollt ihr ob eines Tages Uebel heulen?
So bresthaft wie ihr selbst, sind dieses Weltreichs Säulen…
Christ, Gothe, Zeit und Krieg, die Flut, das Feuer
Hat oft die Siebenhügelstadt verheert.
Sie sah erbleichen Alles was ihr theuer:
Wo des Triumphes Wagen eingekehrt,
Da stampfte des Barbarenfürsten Pferd.
Palast und Tempel stürzten nah und fern,
Ruinenchaos! Wie ist’s doch erschwert,
Zu suchen hier mit forschender Laterne!
Wer sagt: Hier war’s! Hier ist’s – wo Nacht und keine Sterne….
Cypressen, Epheu, Rohr und Goldlack flechten
Sich hier zusammen; Hügel heben sich,
Wo einst Gemach, Thor, Säule fiel den Mächten;
Gewölbe drohn, die Freske Glanz verblich
Im feuchten Winkel, wo im Abendstrich
Die Eule schreit. – Was war’s? – Bad, Tempel, Halle?
Erklär’s wer kann! – Was der Gelehrten Schlich
Herausgebracht, war: daß es Mauern – alle!
Ach diese Kaiserburg zeugt, daß der Größte falle…
Wo ist der Felsen des Triumphs? die Stelle,
Wo seine Helden einst umarmte Rom?
Wo des Tarpejus‘ Fels, von dessen Schwelle
Einst der Verrath für seines Wahns Phantom
Gestoßen ward und stäubte zum Atom?
Dort häufte der Erob’rer seine Beute,
Und hier im Forum die Parteiwuth glomm,
Erhabne Rede dort das Volk erfreute,
Noch athmet hier die Luft, was Cicero verstreute…“