Heiß. Meine Zehen berühren das Wasser, tauchen hinein. Es folgen Schienbein, mein Unterleib. Die Hitze des Bades prickelt über meinen ganzen Körper. Schweiß quillt aus meinen Poren.
Das ist kein genüssliches Hineingleiten in warmes Badewasser. Vielmehr: ein Kampf, mit mir selbst und gegen die Hitze.
Was stand draußen an der Tür? 50 Grad? 60 Grad? Was das bedeutet, wird erst jetzt klar.
Zwei Minuten halte ich im Bad aus, nicht länger. Die Hitze ist zu viel, ich bin geschafft. Kräftiger als nach jedem Saunagang.
In meinem leichten japanischen Bademantel sitze ich nun draußen auf der Straße dieses kleinen Ortes. Die Sonne strahlt, der leichte von den Bergen kommende Wind fühlt sich gut an.
Für meine Erfahrung eines echten japanischen Onsen Bades habe ich Shibu Onsen nahe der Ortschaft Yudanaka in der Präfektur Nagano gewählt. Auf der Bahnfahrt hierher sah ich schneebedeckte Bergketten in der Ferne. Das kleine Dorf erinnert mich an Szenen aus Chihiro’s Reise ins Zauberland.
Überall gurgelt Wasser. Onsen sind Bäder, die von heißen Naturquellen aus der Tiefe gespeist werden. Japan ist tektonisch aktiv, einen Vorteil muss das ja haben, und die Japaner baden darin. Onsen gibt es im ganzen Land.
Das Besondere hier sind neun kleine Badehäuser, keines von ihnen speziell hübsch, doch jedes speziell heiß und jedes einzelne verspricht eine ganz eigene Mineralienzusammensetzungen. Ich besuche alle neun, plus das hübsche, ganz in Holz ausgekleidete Bad im Keller meines ryokans.
So nennen sich traditionelle japanische Gasthäuser. Die zwei Nächte hier sind meine teuersten Übernachtungen, aber jeden Yen wert. Mein Zimmer ist geräumig und zur Begrüßung schenkt mir die Wirten eine Tasse Algen-Tees ein. Er schmeckt wie dünne aber versalzene Brühe.
Im Zimmer liegt meine yukata bereit, dieser Bademantel, den ich mir überziehe und hinaus auf die Straße trete. Zuerst ungewohnt, nur im Bademantel und klackernden Holz-Sandalen durch eine Ortschaft zu streifen, sehe ich bald weitere Gäste in ähnlicher Garderobe.
Wir haben Schlüssel zu den kleinen Badehäusern, wo wir uns in das heiße Wasser hineinkämpfen.
Am Abend gibt es in meinem Wirtshaus ein großartiges Abendessen. Selbst der Fisch schmeckt ausgezeichnet. Und ich mag gar keinen Fisch. Dazu Tempura, Nudeln, Gemüse, Reis.
Die Nacht schlafe ich früh und ausgezeichnet.
Unter Affen
Am nächsten Morgen strahlt die Sonne und meine Schritte führen mich den Fluss entlang in die nahen Wälder, immer weiter. Bis zu einem Kassenhaus. Dort zahle ich, komme an einem zischenden Geysir vorbei, und kucke schon bald meinem ersten Affen in die Augen.
… was man nicht tun soll, ich aber beim ersten Treffen nicht unterdrücken kann.
Ich besuche die Snow Monkeys, diese weltberühmten Affen, die sich so gern in Natur-Dokus im heißen Wasser tummeln. Nur haben wir jetzt einen sommerlichen Mai, und keinen Schnee. Die Affen sind trotzdem da. In Massen. Wie die Touristen. Nah kommt man an die Tiere heran, kann Mütter mit ihren Kindern sehen, und junge wie alte, sehr nasse Affen.
Ich spaziere weiter durch die lichtdurchfluteten Wälder, bevor ich mich wieder den Bädern widme.
Das hübscheste Bad des Ortes ist auch das erträglichste. Ich schaffe es sogar, hier im Wasser zu sitzen. Da kommen ein paar junge Japaner durch die Tür, nackig, nur mit einem kleinen Handtuch in der Hand. Sie schreien und quieken, als sie ins Wasser steigen. Was mir gewisse Genugtuung verschafft. Wir kommen in ein lustiges, kaum verständliches Gespräch. Der Begriff “Bayern München” fällt (nicht von mir), und ich scheine ihren Respekt für meinen mittlerweile stoischen Umgang mit dem heißen Wasser zu gewinne.
Meine zwei Tage hier sind entspannend, die Bäder tun trotz oder gerade wegen der Hitze ungemein gut, und ich merke, wie sehr ich das nach zweieinhalb Wochen Reisen, von Seoul über Busan, Hiroshima, Kyoto bis hierher, brauche. Ich fühl mich wie im Urlaub.
Nächster Halt: Tokyo.
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