Ein aufgeräumter Markt
Die Nishiki Markthalle in Kyoto ist so nett, so aufgeräumt, so absurd. Was ist das bloß in all den Fässern, Auslagen und Schaufenstern? Ich habe keine Ahnung. Während anderswo Märkte gerne Orte überbordenden Lebens sind, voller Chaos, Unordnung, Lärm ist der Nishiki Markt so … japanisch. Es geht hier ordentlich zu. Ruhig. Höflich.
Den Einkaufsstraßen um den Markt herum hat man Dächer verpasst. Einige Tage später werde ich in Nagano ganz ähnliches sehen.
Viel zu leicht verdauende Fahrstuhlmusik läuft aus Lautsprechern. In einer Ecke steht Super Mario. Mit einer E-Gittare.
Buchhandlungen, Modegeschäfte, viel individuelles. Ich habe Hunger und esse Suppe, die mich unendlich satt macht. Ich hatte gelesen, Portionen in Japan seien klein. Doch nicht hier. Ehrlich gesagt nirgends, wo ich esse.
Ich gehe zum Palast der Shogune, dem Nijojo Castle. Wieder: eine hübsche Anlage, doch in der Fülle an Schönheit in Kyoto sticht dieser Ort nicht hervor. Bis auf die jungen Frauen in Kimonos, die mir dort begegnen.
In Kyoto sehe ich auch viele junge Paare, die sich in traditioneller Kleidung fröhlich lachend fotografieren lassen. Ein Hochzeitsbrauch vielleicht?
In einem weitläufigen Park vor dem alten Kaiserpalast ruhe ich aus, nicke kurz ein, träume. Die Sonne sinkt hinter die die Stadt umringenden Hügel. Das Licht flirrt golden.
Ich finde in einer nahen Seitenstraße das sehr charmante “Café Bibliotic Hello!” – allein in dessen Namen verliebe ich mich schon.
Die Einrichtung verströmt einen lässigen 70er Jahre Vibe, ein skandinavischer Touch, viel Grün. Eine Wand wird von einem enormen Bücherregal eingenommen, aus dem sich die Café-Besucher bedienen. Herrlich relaxt ist es hier, eine kleine Oase. Ein junger Mann sitzt in der Ecke, holt seine Gitarre hervor, und beginnt zu spielen. Er wirkt entrückt, nicht ganz da, nur mit seiner Musik beschäftigt.
Ich bleibe. Esse ein Sandwich, trinke Zitronentee und noch ein Bier.
Im Bambus-Hain
Am nächsten Morgen ist es sommerlich heiß. Eine ganze Stunde war ich mit dem Bus unterwegs, um hier her zukommen. Ein Vorort von Kyoto, an einem Fluß, dahinter grüne Berge. Viele Souvenirstände und wieder Schulkinder in ihren blau-grauen Uniformen.
Ich laufe den Menschen hinterher und finde den Arashyama Bamboo Grove. Diese Allee aus Bambus ist bekannt, viele Bilder zirkulieren von ihr. Die Höhe der Pflanzen ist imposant, das Licht ist grünlich. Doch der Weg durch den Hain ist kurz, und so enttäuscht er mich ein wenig.
Nicht weit jedoch findet sich die Villa eines japanischen Filmstars längst vergangener Zeiten. In zahlreichen Samurai-Filmen habe er mitgespielt, lese ich. Und hier hat er sein zu Hause, seinen Rückzugsort, errichtet. Klassisch, mit einem perfekten Garten drum herum. Der Blick wandert über Wälder. Eine eigene Welt für sich.
Der Eintritt zu dieser ist nicht billig, doch wert. Ich bekomme einen Coupon für eine Tasse sehr feinen Grünen Tee und dazu wieder ein ausgezeichnetes Miniaturstück Gebäck.
Ein schöner Ort.
Schwitzend gehe ich zum nahen Bahnhof und nehme den Zug nach Kyoto Central. Von dort will ich den Shinkansen in das zwanzig Minuten entfernte Osaka nehmen. Dort gibt es ein Aquarium. Mit einem Walhai, der dort seine Runde dreht.
Ein letzter Tempel …
Ich wache um 6 Uhr auf. Das passt mir. Ich ziehe mich an und betrete die morgendlichen Gassen von Gion. Glänzendes Morgenlicht durchflutet sie. Das Altstadtviertel ist noch völlig still. Nur gelegentlich kommt mir jemand entgegen. Meine Schritte führen mich den Berg hinauf.
Kiyomizu-dera soll für diesen Besuch mein letzter Tempel in Kyoto sein. Wie ein gütiger Riese ruht der Tempel am Hang seines Berges. Drumherum wieder viel grün, wieder der Eindruck, dieser Ort sei eher gemalt als von Menschenhand gebaut. Die große Halle, ganz aus dunklem Holz, schwebt allein auf gewaltigen ebenfalls hölzernen Säulen über dem Hang.
Nur wenige Besucher beten hier so früh am Morgen. Später sind bestimmt wieder Schulkassen hier. Doch im Moment bin ich fast allein.
Mir gefallen diese leichten, offenen Shinto-Tempel Japans. Ich habe das Gefühl, sie lägen mir mehr als unsere verschlossenen Gotteshäuser aus Stein.
Neben der Halle rauscht ein Wasserfall den Berg herab. In einem Weiher steht ein Kranich. So perfekt, ich kann ihn zuerst gar nicht für echt halten. Ganz nah komm ich an ihn heran bevor er sich bewegt und mich anblickt.
Zurück durch die nun erwachenden Gassen Gions. Ich breche auf, verlasse Kyoto, das mich in den letzten drei Tagen ganz in seinen Bann gezogen hat. Die Stadt ist ein Meisterwerk, und dabei habe ich nur an der Oberfläche kratzen können.
Kyoto wird mehr fehlen, irgendwann kehre ich zurück.
–Mai 2013–
Alle Beiträge meiner Korea & Japan Reise 2013 findet Ihr hier.
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