Buddha versetzt mich. Ausgerechnet.
Statt Zen gibt es Orchesterpop und Menschenmassen.
Ich hatte es schon im Gefühl, dass es so läuft. Vorab schrieb ich aus Deutschland E-Mails, um meinen Templestay in Beomeosa bestätigen zu lassen. Alles sei kein Problem, hieß es.
Heute ist Buddhas Geburtstag. Und es ist ein Problem.
Menschen, Menschen, überall Menschen. Beomeosa ist eine weitläufige Tempelanlage, die in den grünen Hügeln oberhalb Busans liegt. Die Wege, die Pavillons, alles ist mit bunten Laternen geschmückt. Es dauert, bis ich im Getümmel jemand finde, der mir weiterhelfen kann. Eine junge Frau. Sie ist neu im Tempel. Die Kollegin, die mir meine Reservierungsbestätigung geschickt hatte, arbeitet nicht länger für den Tempel. Ich kann mir vorstellen, warum.
Meine Reservierung ist verloren gegangen. Überhaupt: heute findet kein Templestay, diese große touristische Attraktion Südkoreas, statt. Weil Buddha, dieser fröhliche Dicke, Geburtstag hat. Etwas über 2700 Jahre ist er alt, er lächelt mich an, und im Moment nervt mich das.
Tief durchatmen. Wozu denn ärgern? In einem buddhistischen Tempel, obendrein.
Ich könne ja am morgigen Tag am Templestay Programm teilnehmen. Da bin ich bereits auf dem Weg nach Japan. Weil sowohl die junge Frau wie einer der höheren Mönche nicht wissen, was sie mit mir tun sollen, stecken sie mich in eine Schlafkammer im Wohnbereich der Mönche. Meditieren ist nicht.
So wandere ich neben Tausenden durch den Tempel. Dieser ist schön, Berge umrahmen ihn. Ich finde einen Waldweg und laufe ihn einen Hügel hinauf. Nach einer kurzen Weile lichten sich die Menschenmassen. Hier ist Ruhe. Mehr oder weniger
Die mir entgegenkommenden, bestens gekleideten koreanischen Wanderer hören gerne laut Musik im Wald. Einer schaut über sein Handy fern.
Was würde Buddha nun sagen?
Trommelklänge dringen durch den Wald. Ich folge ihnen und gelange zu einem Schrein. An dessen Eingangspforte schenkt man mir lächelnd Kuchen. Im Innenhof schlagen Jugendliche in alten Kostümen auf Trommeln und blasen in eine hochquäkende Trompete. Zwei Jungen tanzen mit langen Bändern. Ihre Eltern und Verwandten drumherum glühen vor Stolz. Immer wieder sprintet der ein oder die andere zu den Kindern und steckt ein paar Geldscheine in deren Gürtel.
Ein schönes Spektakel.
Als es dunkel wird findet vor dem Hauptgebäude des Tempels ein Gottesdienst statt. Jedenfalls glaube ich, dass es sich um einen Gottesdienst handelt. Lieder werden gesungen. Die Menschen verbeugen sich immer wieder respektvoll. Der Abt spricht, neben ihm steht ein Mann im dunklen Anzug, und beide drücken auf einen Knopf. Die Laternen strahlen auf. Dazu spielt Musik aus einem Disney-Film.
Ich stolpere über eine große Bühne, und wieder mehr Menschen. Das Busan Metropolitan Pop Orchestra spielt auf. Zuerst ein Stück von Brahms, dann ein Louis Armstrong Medley, und schließlich koreanischer Schlager, die in meinen Ohren sehr nach 60er Jahren klingen. Dazu singt ein Frauenchor.
Happy Birthday, Buddha …
Ein Mönch in grauer Robe und mit Bluetooth-Clip am Ohr bemerkt mich, wie ich da alleine stehe. Das kann er wohl nicht ertragen. Er bittet ein junges Mädchen, das gut Englisch spricht, sich um mich zu kümmern. Sie helfe bei den heutigen Feierlichkeiten aus, erzählt sie. In München, Frankfurt und Heidelberg sei sie schon gewesen. Und in Neuseeland habe sie sich mit Deutschen angefreundet. Sie wolle sie bald besuchen.
Dann ruft man sie fort.
Plötzlich fühle ich mich zum ersten mal auf dieser Reise einsam.
Ich streife durch den hell erleuchteten Tempel. Das Konzert interessiert mich nicht länger.
Ja, mein Templestay ist ein Reinfall. Erst spät kehrt Ruhe ein, ich schlafe unruhig.
Um 5:30 Uhr wache ich am nächsten Morgen in meiner Kammer auf. In einer Ecke steht eine Steinschüssel, in der winzig kleine Fischchen ihre Kreise drehen. Ich stehe auf, draußen ist es taghell. Und still.
Einmal noch wandere ich durch den nun so friedlichen Tempel und den angrenzenden Wald. Ich stoße auf einen großen Platz, auf dem hunderte Buddhas unterschiedlich Form und Größe sitzen. Von einem gewaltigen goldenen Buddha, bis zu ganz kleinen Porzellanfigürchen.
Ich mache meinen Frieden mit dem dicken Kerl, packe zusammen, und verlasse Beomeosa ohne ein weiteres Wort.
–Mai 2013–
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Mehr über meine Japan & Korea Reise 2013 :
- Teil 1 – Korea & Japan: Das Vorspiel
- Teil 2 – Seoul: Jetlag
- Teil 3 – Seoul: So viel zu erleben
- Teil 4 – Seoraksan: Auf Wanderung in Korea
- Teil 5 – Busan: Von Fischen, Bädern und Abenden voller Licht
- Teil 6 – Beomeosa: Kein Glück mit Buddha
- Intermezzo – Zu Tisch: Essen in Südkorea und Japan
Was für ein tolles einzigartiges Erlebnis! Der „dicke“ Buddha hat mit dem eigentlichen Buddha nichts zu tun. Er ist die Erscheinungsform eines Boddhisattvas. Die vielen kleinen Figuren, die du im Wald gefunden hast, waren wahrscheinlich zum Gedenken an totgeborene Kinder oder gar Abtreibungen aufgestellt. Schade, dass Du nur so wenig Zeit für Korea und den Tempel hattest!
Hallo Ulrike,
Danke dir für den Hintergrund! Ich war, ehrlich gesagt, arg überfordert mit der ganzen Symbolik. Da hatte ich ja mir die nötigen Einblicke während des Templestays erhofft.
Nun gut, Schwamm drüber. Der Buddha-Geburtstag im Tempel war schon ein besonderes Erlebnis, trotz aller anderer Enttäuschung. Vielleicht blieb mir das so auch stärker im Gedächtnis.
Und ja: schade, dass ich nur so wenig Zeit für Korea hatte … aber da wartete ja auch noch Japan auf mich. :)