Blätter rauschen. Die Luft schmeckt frisch. Noch ist der Himmel grau. Wolkenschleier kleben an den Berghängen.
Es ist früher Morgen, kurz nach sieben, und wir betreten gerade den Seoraksan Nationalpark.
Seoraksan gelte als einer der schönsten Flecken Südkoreas, heißt es. Wir wollen wandern. Tief hinein in den von Tälern, Schluchten, Bächen und Wasserfällen durchzogenen Wald.
Doch das soll so nicht sein.
Wir erfahren: Es ist Nebensaison. Nur zwei Hauptwege sind offen, der Rest ist abgesperrt.
Der Beginn der Hauptsaison ist so nah. Wir sind ganze drei Tage zu früh.
Was bringt Ärger, was bringt Enttäuschung? Nun sind Daniel und ich hier.
Dann gehen wir eben spazieren.
Schön ist es in Seoraksan allemal. Den hübsch asphaltierten Weg entlang geht es in den Wald, er führt in einer Felsschlucht. Ein türkisfarbener Bach plätschert zwischen den Felsen. Auf manchen von ihnen prangen seit Jahrhunderten chinesische Schriftzeichen.
Nun geht der Weg steil nach oben, bis der Weg zur Treppe wird. Diese endet an einer in der blanken Felswand liegenden Höhle.
Ein koreanisches Pärchen sitzt dort. Ein buddhistischer Mönch werkelt vor sich hin. Vom Tonband kommen gesangsartige Gebete und Trommelschläge. Dutzende Kerzen bescheinen einen schneeweißen Buddha.
Als ich mich wieder umdrehe brechen die grauen Wolken gerade auf. Dicke Sonnenstrahlen fallen ins Tal. Der tiefgrüne Wald unter uns kommt zum Vorschein, und die hohen, spitzen Berggipfel um uns herum. Magisch.
Wir rasten auf einem Felsvorsprung, blicken in die Weite, und essen Sandwiches, die wir am Eingang des Parks in einem 7-Eleven Convenience Store gekauft haben. Ein Streifenhörnchen leistet uns Gesellschaft. Wir nennen es Louisa.
Wir können den Weg nur zurückgehen. Mehr bleibt nicht, doch gelangen wir zu einem kleinen Tempel, den wir vorhin noch rechts haben liegen lassen. Wir besichtigen ihn in respektvoller Stille.
Von hier aus geht es hinauf zum Ulsanbawi, einer so unverschämt malerischen Gipfelkette. Kleine, mit bunten Zeltplanen bedeckte Lokale und zahlreiche Kioske zeugen von der ungeheuren Beliebtheit dieses Aufstiegs. Doch heute ist es ruhig.
Die letzten Meter bis ganz nach oben müssen wir über eine schwankende Stahltreppe. Ich atme schwer. Dann sind wir oben. Erschöpft, die Aussicht über den Seoraksan Nationalpark genießend.
Die Landschaft ist schön. Wert, von Dichtern besungen zu werden.
Ich drehe mich um, blicke ins Nachbartal. Da verläuft die Autobahn. Und nicht weit ist die Grenze zu Nordkorea … dieser Schatten.
Während wir Treppe und Weg hinabsteigen, beginnt es leicht zu regnen. Im Tal stoßen wir auf eine gut zehn Meter hohe Buddha Statue. Davor steht ein Mönch mit Regenschirm.
Ruhe fällt über Wald und Berge. Ruhe ist es, was ich aus Seoraksan am ehesten mitnehme: man hört den Fluss, das Rauschen des Laubs, Vögel, den Wind.
–Mai 2013–
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Mehr über meine Japan & Korea Reise 2013 :
- Teil 1 – Korea & Japan: Das Vorspiel
- Teil 2 – Seoul: Jetlag
- Teil 3 – Seoul: So viel zu erleben
- Teil 4 – Der Seoraksan Nationalpark
- Teil 5 – Busan: Von Fischen, Bädern und Abenden voller Licht
- Teil 6 – Beomeosa: Kein Glück mit Buddha
- Intermezzo – Zu Tisch: Essen in Südkorea und Japan