Es regnet in Triest.
Regen von links, von rechts, von oben, von überall. Der Wind weht vom Meer her, glaube ich, oder doch von den Bergen? Egal. Denn genüsslich zerlegt er meinen treuen Drogeriemarkt-Regenschirm für dreieurofünzig. Adieu, alter Freund.
Ich bin in Italien, mir ist kalt und ich bin nass. Noch weiß ich es nicht, doch handele ich mir gerade eine erstklassige Erkältung ein. Hartnäckig wird diese sein, die folgende Woche werde ich das Bett kaum verlassen können.
Doch noch weiß ich davon nicht.
Dem Wetter trotzend spaziere ich also durch Triest. Eine überraschend schöne Stadt. Schon wieder. Auf meiner ganzen Reise begegne ich überraschend schönen Städten: Zagreb, Pula, nun dieses Triest, in der obersten rechten Ecke Italiens.
Stolze Palazzi, alte Gassen, der weite, offene Hafen. Die Stadt schmiegt sich an die Adria.
Ein halbes Jahrtausend war Triest Teil Österreichs und sogar dessen wichtigster Seehafen. Ich kann nicht anders: ich lache. Österreich am Meer, der Gedanke erscheint mir bizarr.
Vorbei an italienischen und Habsburger Prachtbauten spazierend, wandern meine Gedanken in eine vergangene Zeit. Als österreichische Admiräle stolz auf ihren Dampfern standen. Als Kaffee und Schokolade aus den Häfen des Orients hier landeten, dann weiter nach Wien und Prag geschafft und schließlich in den dortigen Salons und Kaffeehäusern serviert wurden.
Der Regen treibt mich selbst jetzt auch in ein kleines Café. Eine gusseiserne Wendeltreppe mit reichen Jugendstil-Verzierungen dreht sich in der der Mitte des Raums hinauf in ein dunkles, oberes Stockwerk. An den Wänden stehen glänzende alte Schränke und Büffets aus dunklem Holz. An den hinteren Tischen unterhält sich ein verliebt dreinschauendes Paar. Links von mir sitzt ein junger Italiener, im legeren doch so perfekt sitzenden Anzug – mir scheint, italienische Männer haben hierzu eine wunderbare Fähigkeit -, telefoniert und tippt dabei immer wieder auf sein Macbook ein.
In bruchstückhaftem Italienisch bestelle ich eine Heiße Schokolade und ein Kirschtörtchen. Die Bedienung mit ihren kurzen schwarzen Haaren und den großen Augen ist bildhübsch, entzückend, ich träume.
Alle paar Minuten betritt Kundschaft das Café, geht an die Theke, lässt sich von der Bedienung Tramezzini und Süßes zum Mitnehmen geben. Dann verschwindet sie schnell wieder, mit einem Gruß als kenne man sich hier.
Den kurzen Gespräch höre ich gerne zu, ohne viel zu verstehen. Mir gefällt das Italienische.
Schließlich hat der Regen ein Einsehen für heute, er weicht sogar der Sonne, die sich durch die grauen Wolken kämpft. Die stolze Stadt ist in goldenes Abendlicht getaucht. Meine Schritte führen mich am uralten römischen Amphitheater, an Kirchen und Gassen, schließlich am Grand Canale mit seinen Booten vorbei hin zur zentralen Hafenpromenade. Hier bin ich nicht allein. Ein paar wenige Touristen. Einheimische. Hobby-Fotografen. Wir blicken hinaus auf die Adria, auf die Frachtschiffe in der Ferne, und beobachten gemeinsam den Sonnenuntergang.
Danke für den schönen Bericht über Triest. Mir ist es dort ähnlich ergangen mit dem Wetter. Ich war als Jugendliche stark beeindruckt von dem türkisfarbenen Meerwasser beim kleinen Schloss. Als Erwachsene wollte ich das gerne wieder sehen und bin von Grado aus hingefahren. Die Enttäuschung war groß, keine Spur von türkis, alles so grau wie die Nordsee. Aber die Stadt entschädigt auf vielfältige Weise.
„Aber die Stadt entschädigt auf vielfältige Weise.“ – sehr schön gesagt, und ich kann das nur unterstreichen.
Danke!