Sonne, ganz plötzlich.
Die funkelnde Adria, fröhlich-blaues Wasser, weiße Segel in der Ferne.
Es ist, als schalte jemand das Licht ein; als ginge ich von einem Raum in einen völlig anderen.
So erreiche ich den Süden.
Am Morgen hatte ich in Zagreb den Bus bestiegen. Stundenlang ging es durch tiefgrüne Täler.
Tannen, Bauernhöfe, regendicke Wolken.
Wir fahren in einen Tunnel, wenige Meter Kunstlicht.
Dann sind wir da. Die Sonne blendet. Mich ergreift pures Glück.
Istrien.
In Serpentinen windet sich der Bus hinunter zu den Ortschaften am Meer: das lebendige Rijeka, das mondäne Opatija. Weiter fahren wir durch das menschenleere istrische Hinterland, vorbei an verlassenen Bergwerken und weiten Feldern.
Zuletzt erreichen wir unser Ziel: Pula, die uralte Großstadt an der Südspitze der istrischen Halbinsel.
Vom Busbahnhof finde ich schnell meinen Weg. Links die römische Arena – zweitausend Jahre alt und stolz – rechts das kleine Hafenbecken, in dem Jachten, Ausflugsboote und ein fauler Frachter liegen.
Den schweren Rucksack lasse ich in meiner Herberge zurück, wenig später sitze ich am Forum und trinke Weißwein. Mit Blick auf das mittelalterliche Rathaus und den kleinen, hübschen links daneben stehenden Augustustempel.
Pula ist alt. Erst waren die Griechen hier, dann Rom. Viel später Venedig und schließlich Habsburg. Österreichs Kriegsflotte lag vor hundert Jahren hier im Hafen.
Die Hauptstraße, die ich entlang spaziere, war schon vor Jahrtausenden voller Leben und Geschäftigkeit.
Souvenirläden reihen sich heute hier einer neben dem anderen, und Touristen-Lokale. Weiter hinten sollen die “normalen” Leute einkaufen gehen, sagt man mir.
In Seitengassen stoße ich auf antike Fundamente und uralte Bodenmosaike. Römische Überbleibsel gehören in dieser Stadt zum Alltag. Sie sind nichts besonderes, sie sind einfach da.
Eine goldene Dämmerung setzt bereits ein, als ich die bis heute stolze Arena betrete. Zwanzigtausend Menschen bot sie einst Platz.
War das antike Pula lebendiger als das heutige?
Ich wandere über die antiken Ränge, vorbei an all den Rundbögen, setze mich schließlich auf die alten Marmorstufen und blicke hinab in den sandigen Rund der Arena.
Meine Vorstellung wandert. Das tut sie ganz ger: das Gebrüll und der Schweiß tausender Menschen, die brennende Mittelmeersonne, das Leid, das Elend, der Tod in der Arena. Wilde Tiere, Kämpfer, arme Seelen. Horror und Begeisterungsstürme. Eine verlorene Welt.
Rechts von mir sitzt eine deutschsprechende Familie. Die zwei flachsblonden Jungs hüpfen von Marmorstufe zu Marmorstufe und jagen die fetten Möwen, die sich hierher gewagt haben.
Verliebt-dreinschauende Pärchen schießen Selfies. Später am Abend findet hier eine Gladiatoren-Show mit viel Brimborium statt. Am Eingang wurde auf Flachbildschirmen dafür geworben. Action und Entertainment, für die zahlende Kundschaft.
Wie die Zeiten sich geändert haben. (Haben sie das?)
Das Licht der goldenen Abendsonne fällt durch die Rundbögen, ich trenne mich von diesem Ort.
Am Hafen trinke ich noch ein Glas Wein und einen Cappuccino, verfolge mit meinem Blick die tiefrote Sonne, bis sie verschwindet.
Ich werde mehrere Tage in Pula bleiben. Die Stadt gefällt mir, ich komme zur Ruhe und genieße es, wieder im Süden zu sein.
3 Kommentare zu „Pula, Istrien: Plötzlich Süden“