Im Norden: Gegenwind und Spray-Schafe

Norden Weite

Das Land ist so flach. Mir ist das schwer begreiflich. Mein Auge findet keinen Halt in dieser Weite.

Zu Anfang verstört mich das, ja, ich mag mich hier nicht recht wohl fühlen. So mein erster Eindruck.

Bald fällt dieser von mir ab. Das dauert keinen Tag. Ich blicke über die grünen Felder, die vereinzelten Bauernhäuser, die Deiche in der Ferne und den gewaltigen, sich über mich wölbenden Himmel, und ich finde Frieden. Mir ist, als verlöre ich mich in an diesem Ort. Im positiven Sinne.

Ich leihe mir ein Fahrrad. Die Wege sind gut ausgebaut, und ja alle eben. Dass das Fahrradfahren daher eine mühsame Angelegenheit sein könnte, hatte ich mir nicht vorstellen können.

Der massive Gegenwind belehrt mich Besseren.

Wie kann das sein? – Egal in welche Richtung ich radeln möchte, mit aller Macht kommt der Wind entgegen. Es gibt mehr Wind als Himmelsrichtungen. Links, rechts, oben, unten, Westen, Süden, Norden, Osten.

Am Abend bin ich völlig fertig.

Die Nordsee bekomme ich kaum zu Gesicht. Wenn ich sie sehen möchte, dann ist sie weg. Ein schüchternes Ding, denke ich mir. Statt Meer erlebe ich eine außerirdische Landschaft aus unendlichem, braungrauem Schlick. Darüber der Himmel.

Der Himmel kommt mir vor, wie das Dach einer Kathedrale, das sich hoch über die Welt spannt.

Nordstrand: Ebbe

Neben mir grasen Schafe. Tausende? Eher Zehntausende? Die Lämmer sind noch jung, und nah bei ihren Müttern.

Die Bauern haben die Tiere mit neonbuntem Farbspray markiert. Die Farbe knallt auf dem Weiß der Wolle nur so hervor.
Die ganze, flache Landschaft ist weiß-gepunktet mit gesprayten Schafen.

Schaf

Weiteres Getier:

Vögel. In allen Größen, in allen Variationen. Sie brüten in den weiten Schilffeldern. 
Über den Radweg springt ein Reh. Und da drüben hüpft ein Feldhase.
Als ich am nächsten Tag mit der Fähre von Nordstrand auf die Insel Pellworm fahre, sonnen sich Robben auf einer Bank aus Schlick.

Ich komme zur Ruhe. Es geschieht überraschend. Die restliche Welt scheint mir hier so fern.
Zeit verschwindet, meine Sorgen auch. Für den Moment.

Was will man vom Reisen mehr verlangen?

 

-Juni 2014-

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