Nur das Meer ist zu hören. Ein rauschender Klangteppich. Beständig, wild, frei.
Wir wandern heute in den Calanques, diesem schroff-schönen Nationalpark, mit dem Bus nur eine halbe Stunde von den Boulevards und Altstadtgassen Marseilles entfernt.
Karge Büsche klammern sich an die grau-milchigen Felsen, die hinab gen Brandung fallen. Mein Blick schweift über das Mittelmeer, das hier auch weit und endlos erscheinen kann. Hört da hinten am Horizont die Erde auf?
Dicke Wolken ziehen über den Himmel, Sonnenstrahlen brechen zwischen ihnen hervor, darunter das Meer. Es ist ein Spektakel.
Daniel und ich sind schlaftrunken. Die Nacht war viel zu kurz, was unsere eigene Schuld ist.
Vereinzelt begegnen wir anderen Wanderern. Mit einem Nicken begrüßt man sich. Zwei junge Frauen fragen uns nach dem Weg, und ich antworte in meinem ungeübten Französisch. Sie verstehen mich schon.
Über uns hängen Kletterer in kräftig-bunten Sportklamotten in den Felsen.
Für Marseille sind die Calanques ein beliebter Spielplatz. Auch Kanufahren soll man hier wunderbar entlang der Steilküste können, so las ich im treuen Reiseführer.
Menschenmassen verteilen sich in diesem ausgedehnten Nationalpark gut und schnell.
Bis ins kleine Provence-Städtchen Cassis – bekannt für seinen süßlichen Wein – ziehen sich die Calanques.
Bis dahin schaffen wir es heute nicht, dabei hätte ich gerne noch mehr gesehen.
Wir finden uns in einer Sackgasse wieder. Die steilen, Latschen-bewachsenen Hänge kommen wir nicht hinauf. Eine Weile bleiben wir einfach nur sitzen. Die Sonne strahlt nun. Das Meer unter uns ist azurblau und bricht in schneeweißer Gischt an den Felsen.
Als seien wir nun allein auf der Welt, an einem kleinen Ort voller Weite, der nur uns gehört.
Schließlich drehen wir um, kommen zurück auf den Hauptweg, und gelangen dann wieder an die Bushaltestelle.
Bald sind wir wieder in Marseille. Statt dem Meer rauscht nun der Straßenverkehr. An den Häuserwänden kleben kunstvolle Graffitis, und keine Kletterer.
Es ist schon fast dunkel, als wir wieder am Alten Hafen stehen.
In einer Gasse finden wir ein kleines, verblüffend günstiges tunesisches Lokal.
In meinen Ohren klingt immer noch das Meer …
Mehr über die Calanques:
ZEIT ONLINE – Reisen, 1. Mai 2012:
„Frankreich: Marseilles Aufstieg“Marseille-Tourisme.com:
Calanques